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ab Mai 2000
Unterer Bahnhofplatz

Mi. 7.6.2000 19:00
Diskussion: Bronze von gestern. Umplazierung von Kunst im öffentlichen Raum.

Saal Roter Turm
Rathausgasse 5, Baden
__Sabine Altorfer, Kunsthistorikerin / Mitglied der städt. Kunstkommission Baden
__Jan Hlavica, Architekt
__Thomas Müllenbach, Künstler / Dozent HGKZ
__Peter Regli, Künstler
__Hans Wanner, Leiter Abteilung Planung und Bau
__Moderation: Oliver Kielmayer, Kunsthistoriker / Mitglied Projektleitung INFOLGE

Der für den zweiten Eingriff für das Projekt von infolge eingeladene Künstler Peter Regli stiess bei seinen Nachforschungen über den Bahnhofplatz mehrfach auf die Skulptur Flügelmensch (1925) von Hans Trudel. Begegnet ist er ihr beim Abwandern des Geländes um den Bahnhof und in diversen Archivberichten, die eine wiederkehrende Kontroverse um den Flieger dokumentieren. Unter anderem auch in Zusammenhang mit den Bahnhofumbauten zu Beginn der achziger Jahre; die Skulptur sollte damals vom Theater- auf den Bahnhofplatz versetzt werden. Nach diversen Diskussionen wurde 1984 die Versetzung des Trudelfliegers vom Stadtrat und der Kunstkommission abgelehnt. Zwanzig Jahre später wird am Bahnhof erneut gebaut und wieder tauchen Vorschläge für eine Umplazierung an den unteren Bahnhofplatz auf. Im Vorfeld der geplanten Sitzung der städtischen Kunstkommission, die über das Schicksal des Geflügelten tagt, versetzt der Künstler die Skulptur temporär auf die Baustelle, die sich am vorgesehenen Standort befindet. Jetzt thront der nackte Flieger seit dem 12. Mai 2000 über dem belebten Platz und erwartet starr seine Zukunft, die nun in den Händen der Kunstkommission liegt.

adresse: www.realityhacking.com


Historisches

1925
Der Flügelmensch wurde von Hans Trudel 1925 in Rom in zweifacher Ausführung hergestellt. In Eigenregie plante Trudel die beiden Figuren als Brückenschmuck für die neue Hochbrücke in Baden, obwohl er dafür von der Stadt nie einen Auftrag erhalten hatte.

1929
Der eine Flieger wird 1929 auf Veranlassung des Verkehrsvereins auf dem Theaterplatz in Baden auf einem Sockel aus Bruchstein montiert. Der andere landet in der Gemeinde Güttingen am Bodensee.
Die am Theaterplatz installierte Skulptur löste damals diverse Diskussionen aus. Ein Streitpunkt war unter anderem die Nacktheit der Figur. Sie wurde von Trudel mit der zusätzlichen Montage eines Feigenblattes entschärft.

1941
Nach 12-jährigem Hin und Her wird das Werk von der Stadt Baden angekauft.

1972
Der originale Bruchsteinsockel wird durch einen runden Betonsockel ersetzt. Das Feigenblatt wird bei dieser Gelegenheit demontiert.

1982
In Zusammenhang mit der Überbauung Bahnhofstrasse macht das Architekturbüro Burkard-Meyer-Steiger an den Gemeinderat den Vorschlag, den Flieger vom Theaterplatz an den Bahnhofplatz zu versetzten. Die Plastik sollte axial, im Schnittpunkt der Brüstungsrundung, auf einen Sockel von zirka 4 m Höhe gestellt werden.

1983
Der Gemeinderat ersucht die Kunstkommission dazu Stellung zu nehmen. Die Kunstkommission setzt sich in zwei Sitzungen mit dem Thema auseinander. Der Bildhauer Albert Schilling aus Arlesheim wird als Fachmann zugezogen. Damit sich die Kommission ein besseres Bild machen kann, wird für einige Stunden eine naturgrosse Styroporattrappe am vorgesehenen Standort beim Bahnhof auf einen provisorischen Sockel gestellt.
In der Kunstkommisssion sind die Meinungen geteilt.

Zitat aus dem Antrag der Kunstkommission an den Gemeinderat vom 4. August 1983:
Auf dem Bahnhofplatz würde die Figur einen dominierenden, zentralen Standort erhalten. Der lange Zeit im Schatten stehende Bildhauer Hans Trudel, würde eine solche Ehrung verdienen. Nachdem der Fliegermensch aber, gemäss Urteil der Fachleute, nicht zu seinen Meisterwerken gezählt werden kann, würde dem Namen Hans Trudel ein schlechter Dienst erwiesen. H. Trudel wäre kaum bereit gewesen diese Figur als Visitenkarte in Baden so zu präsentieren. Der Bahnhofplatz verdient ein hervorragendes Kunstwerk. Mittelmässigkeit sollte an diesem zentralen Ort vermieden werden. Zudem würde die Skulptur den in Baden Ankommenden die Rückseite, den "Hintern", die bildhauerisch schlechte Seite, zuwenden. Dazu kommt, dass die Figur der Situation zwischen den gewaltigen Hochbauten kaum gerecht werden könnte. Vor allem aber kann die Platzsituation durch die Figur nicht gesteigert werden. Die Figur dürfte sich, und das hat die Attrappe gezeigt, eher fragwürdig ausnehmen.

Die Diskussionen in der Kunstkommission waren emotional. Die Mehrheit war aber der Meinung, auf eine Versetzung des "Fliegers" sei aus den angeführten Überlegungen zu verzichten. Dies vor allem auch um den Künstler Trudel von Kritik zu verschonen.
Eine Minderheit der Kommission würde hingegen gerade das Versetzen des "Fliegers" auf den Bahnhofplatz als Ehre für den lokalen Künstler ansehen. Der Fliegermensch ist nun einmal eine typische Trudelfigur. Zudem nimmt sich die Figur vor dem niedlichen Bahnhof recht ansprechend aus. Durch die zentrale Plazierung erfährt die Figur, wie auch der Künstler, eine Aufwertung. Der Platz selbst erhält dadurch weder positiv noch negativ eine Veränderung.
Die Kunstkommission ist mehrheitlich der Meinung auf das Versetzen des "Fliegers" vom Theaterplatz auf den Bahnhofplatz sei zu verzichten.

1984
Der Stadtarchitekt J. Tremp informiert am 23. Januar den Gemeinderat über das Vorhandensein eines Pendants zum Flieger I. Dieses steht in der Gemeinde Güttingen am Bodensee. Ursprünglich hatte Trudel vorgesehen, die zwei Flieger als Brückenschmuck an der Hochbrücke zu verwenden. Nachdem die Hochbrücke demnächst umgebaut wird und die Brückenköpfe neugestaltet werden, sollte diese Frage, bevor ein definitiver Entscheid für oder gegen den Standort Bahnhofplatz gefällt wird, erörtert werden.
Das Hochbauamt wird ersucht abzuklären, ob der Flieger II vom Bodensee erworben werden kann.

Die Idee, den Flieger II vom Bodensee nach Baden zu holen, um beide Flieger im Sinne von Trudel als Brückenschmuck zu installieren, wird ernsthaft diskutiert. Herr Sager wäre bereit den Flieger II für Fr. 30'000.- an die Stadt Baden zu verkaufen (29. Februar)

Das Architekturbüro Burkard- Meyer-Steiger stellt am 9. April ein Wiedererwägungsgesuch für eine Platzierung am Bahnhofplatz an den Stadtrat Baden, nachdem die erste Eingabe nie offiziell beantwortet wurde.

Am 27. April tagt die Stadtbildkommission und beschliesst, die von A. Meyer zusammengestellten Unterlagen zur Beurteilung des Standortes Bahnhofplatz sollen den Kommissionsmitgliedern zugänglich gemacht werden.
Auch wird beschlossen den Kauf des Pendants Flieger II vom Bodensee anzustreben, um damit eine Verschiebung des vorhandenen Fliegers und ein Plazierung gemeinsam mit der Neuerwerbung auf der Hochbrücke zu ermöglichen.
Lässt sich die Anschaffung nicht bewerkstelligen, sollte das Versetzen des vorhandenen Fliegers auf den Bahnhofplatz in Betracht gezogen werden.

Die Stadtbildkommission tagt erneut am 8. Juni. Recherchen haben in der Zwischenzeit ergeben, dass es sich beim Flieger II mit grosser Wahrscheinlichkeit um einen leicht veränderten Abguss des Fliegers von Baden handelt. Eine Platzierung der beiden Figuren an der Hochbrücke kommt nicht in Frage. Eindeutig abgelehnt wird auch die Anschaffung der zweiten Figur für den Standort Bahnhofplatz. In Baden soll nur ein "Flieger" stehen.
Klar einig ist sich die Kommission in der Beurteilung der Situation des Fliegers auf dem Theaterplatz:
Sowohl der Standort in Bezug auf den Platz, als auch die Sockelausbildung sind äussert unbefriedigend.

Die Kommission spricht sich mit 4 gegen 2 Stimmen für eine Versetzung des "Fliegers" auf den Bahnhofplatz aus und stellt den Antrag an den Stadtrat, einer Versetzung des "Trudelfliegers" vom Theaterplatz auf den Bahnhofplatz zuzustimmen.